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Beiderseits der Brücke des Königs

Es gibt ja Orte, deren Namen kann man nicht wörtlich nehmen. Oberwiesenthal verdankt seine Anziehungskraft einem Berg, in Pulsnitz hatte bestimmt schon jemand einmal einen Herzstillstand, über Pißdorf in Sachsen-Anhalt scheint oft die Sonne und das Ruhrgebiet ist kein Seuchenschutzbezirk. Anders verhält es sich bei Königsbrück. „Des Königs Brücke“ ist genau die Erklärung für den Namen dieses liebenswerten Städtchens.

Nachdem es schon in den vergangenen Jahren geplant war, aber aufgrund Corona mehrfach verschoben werden musste, konnten wir dieses Jahr hier endlich unsere Exkursion durchführen. Wir trafen uns am Vormittag vor dem Alten Garnisonshaus und sahen uns als erstes die Ausstellung des   Geschichtsvereins Truppenübungsplatz Königsbrück e.V. an. Schwerpunkt waren die zehn für das Militärgelände ausgesiedelten, das heißt dem Kriegswesen geopferten Dörfer und zerstörte Dorfgemeinschaften. Frau Steckel erläuterte uns die Umstände um das Zustandekommen dieser Sammlung, und als sie den Kartenschrank mit den alten Lageplänen öffnete, war es für manchen unter uns wie eine Weihnachtsbescherung mitten im Mai, als er mit dem Finger auf der Landkarte durch die Ortschaften der Vorfahren spazieren konnte. Im Nachbarraum befand sich eine Ausstellung über die verschiedenen Armeen, welche im Laufe der Zeit den Truppenübungsplatz nutzten. Neben Schautafeln waren dort auch etliche Fundstücke des Alltags zu sehen – Archäologie des 20. Jahrhunderts, und die eine oder andere Anekdote über die eigene Armeezeit ging auch herum.

Danach gingen wir eine kurze Strecke über einen Nachfolgebau der Brücke des Königs und wurden, gewissermaßen auf der Oberlausitzer Seite, durch die Stadtkirche geführt. Herr Lindner, der Küster, berichtete über die Stadtgeschichte und die Besonderheiten der Kirche. Wir erfuhren, weshalb sowohl auf dem Altar als auch in den Kirchenfenstern die Evangelisten abgebildet sind, dass einer davon, den wir zu erraten hatten, aus Gips statt aus Holz besteht und wie es dazu kam, er erklärte die Symbolik im Schellendorffischen Epitaph und vieles mehr auf unterhaltsame und erfrischende Art und Weise.

Der Geist war gesättigt, der Bauch nicht, deshalb zogen wir weiter zum Weißen Ross, wo ein schmackhaftes Mittagessen in einem – vorsichtig formuliert – nicht allzu weitläufigen Raum auf uns wartete, bevor wir wieder über die Brücke liefen, diesmal in Richtung der Mark Meißen. Im selben Gebäude wie am Vormittag besichtigten wir die Werke des Architektur-Modellbaus VIA REGIA. Diese vor Jahrhunderten bedeutende Handels- und Kulturstraße ist erst in den letzten Jahren als Pilgerweg nach Santiago de Compostela wieder ins öffentliche Bewusstsein gerückt und war Anlass für talentierte Königsbrücker Modellbauer, bedeutende Bauwerke entlang dieser Straße im Maßstab 1:25 detailgetreu nachzubauen. Die schiere Fülle dieser Objekte war kaum noch zu erfassen, eines schöner als das andere. Unter bescheidenen äußeren Bedingungen wird hier Großartiges auf die Beine gestellt. Das Augenmerk auf der Via Regia wird sicher auch den anliegenden Städten und Dörfern in touristischer Hinsicht etwas Schwung verleihen.

Wir dagegen holten uns neuen Schwung, wechselten ein vorletztes Mal über die alte Grenze und ließen den Tag bei Kaffee und herrlichem Kuchen bei Claudis Eiscafee am Markt ausklingen.

Die alte Landesgrenze überschritten wir insgesamt viermal und hätten in alten Zeiten wohl ordentlich Brückengeld gezahlt. Die Baugeschichte der Stadtkirche haben wir vernommen und die Leistungen der Stadtbewohner dabei bewundert. Die Spuren und Verwüstungen des Militärs besichtigten wir mit Interesse, aber ohne direkt von den Beeinträchtigungen betroffen zu sein. Dieser Tag lehrte uns neben vielen, vielen Fakten auch Achtung vor den Vorfahren, ob es nun die unseren sind oder von anderen, wie sie dies alles ausgehalten haben. Wir haben Gelegenheit gehabt, einen wunderschönen Tag miteinander zu verbringen in dem Städtchen bei des Königs Brücke und freuen uns schon auf die Exkursion im Mai 2024.

Veronika Oehme


Die Bilder steuerten bei: Ute Krancher, Claus Klotzsche, Thomas von Ryssel und Andreas Löser